Micro LED – Alles, was Sie wissen müssen
Ist Micro LED der nächste Schritt im Bereich TV-Technologie? OLED und QLED gelten als aktuell führende Bildschirmtechnologien und sind konventioneller LCD-Technik in prinzipiell allen Bereichen der visuellen Darstellung überlegen. Wer höchste Farbauthentizität, maximale Dynamik, tiefste Schwarzwerte, dreidimensional wirkende Plastizität und besten Kontrast möchte, greift als Film-Liebhaber zu hochwertigen OLED-Modellen oder den preislich auf ähnlichem Niveau liegenden Samsung QLED-Baureihen. Doch was kommt danach? Micro LED verspricht gegenüber OLED und QLED eine nochmals stärkere visuelle Performance zu liefern – doch was ist Micro LED und kann es dieses Versprechen halten? Wie funktioniert es? Und wann kann man Geräte mit Micro LED-Technologie kaufen? Wir wollen in diesem Special sämtliche Fragen zur neuen Technologie, die insbesondere von Samsung und in etwas geringerem Umfang auch Sony, vorangetrieben und als überlegen propagiert wird, klären.
Was ist Micro LED?
Zum ersten Mal konnten wir einen Micro LED-Bildschirm zu Beginn des Jahres 2018 in der Form des 146 Zoll großen „The Wall“ bestaunen. Bei dem beeindruckenden Bildriesen handelte es sich um einen Prototypen und abseits der Tatsache, dass das Gerät natürlich auch auf der IFA 2018 in Berlin zu sehen war, blieb es in diesem Jahr noch recht still um die neue Technologie. Das Jahr 2019 eröffnete Samsung dann auf der CES in Las Vegas mit zwei neuen Micro LED-Modellen. Zum einen gab es einen noch größeren „The Wall“ in 219 Zoll zu sehen, zum anderen wurde mit einem 75 Zoll großen 4K Ultra HD-Display gezeigt, dass man absolut gewillt ist, die Micro LED-Technologie in den Consumer-Bereich zu transportieren. Auch 2020 war die Wüste Nevadas wieder Zeuge der nächsten Evolutionsstufe von Micro LED und Samsung brachte zahlreiche Modelle in den Größen 75, 88, 93, 110 sowie 150 Zoll mit sensationellen Helligkeitswerten von bis zu 5.000 Nit zum „First Look Event“. Momentan kann man nur sehr wenige Mirco LED-Displays käuflich erwerben, und das auch nur zu extremen Preisen, die öffentlich fast gar nicht diskutiert werden. Jedoch kristallisiert sich klar heraus, dass früher oder später Micro LED mit OLED und auch QLED in den Konkurrenzkampf treten wird. Doch was ist die Micro LED-Technologie genau?
Auch wenn Samsung mit den hochwertigen QLED-Modellen ernsthafte OLED-Gegner am Markt hat, ist dem koreanischen Hersteller durchaus bewusst, dass eine separate Hintergrundbeleuchtung im TV klare Nachteile hat. Insbesondere in den Bereichen Detailkontrast und der homogenen Ausleuchtung muss man sich den selbstleuchtenden OLEDs geschlagen geben. Auf OLED wollte man aber, aufgrund diverser Nachteile, wie z.B. eine begrenzte Helligkeit sowie Zweifel an der Lebensdauer der OLED-Zellen, auch nicht setzen. Die Lösung? Micro LED!
Ähnlich den organischen Leuchtdioden sind Bildschirme mit Micro LED-Technologie selbstleuchtend und benötigen keine zusätzliche, separate Hintergrundbeleuchtung. Klitzekleine, anorganische LEDs kommen zum Einsatz, drei davon ergeben einen einzelnen Pixel auf dem Panel. Also kann jeder einzelne Pixel angeschaltet bzw. komplett ausgeschaltet werden. Auch eine akkurate Abbildung unterschiedlicher Farben von benachbarten Pixeln ist so möglich. Damit können Micro LED-TVs prinzipiell eine perfekte Kontrast- und Farbdarstellung liefern.
Was sind die Vorteile von Micro LED?
Gut, jeden Pixel einzeln aktivieren und deaktivieren, das ist auch mit OLED möglich. Micro LED bringt aber einige klare Vorteile gegenüber den organischen Leuchtdioden mit sich. Zum einen ist dies ein deutlich gesteigertes Helligkeitspotential. Zwar bringen hochwertige OLED-Modelle Helligkeitswerte von über 1.000 Nit mit und das Ende der Fahnenstange ist hier wohl auch noch nicht ganz erreicht (Panasonic hat beim neuen OLED-Topmodell HZW2004 sowohl bei der Durchschnitts- als auch der Maximalhelligkeit nochmals zugelegt), dennoch ist das Maximum hier begrenzt. Dem gegenüber stehen die ersten Micro LED Consumer-Modelle von Samsung, die bereits 4.000 Nits bieten sollen. Nach einigen Geräte-Generationen könnte der Helligkeitswert bei Micro LED auch im fünfstelligen Bereich liegen.
Damit einher geht die Tatsache, dass im Gegensatz zu OLED-Displays, die mit weiß leuchtenden organischen Dioden (WOLEDs) sowie einer Filterfolie arbeiten, Micro LEDs eine solche Farbfolie nicht benötigen. Es gibt also keine zusätzliche Schicht zwischen den LEDs und dem Betrachter. Das hat natürlich auch Auswirkungen auf den Energiebedarf, da die Micro LEDs für eine Helligkeit auf identischem Niveau wie bei OLED weniger Energie benötigen, also sparsamer sind. Hier ergeben sich auch in anderen Anwendungsbereichen Vorteile, wie z.B. dem in Samsung QLED TVs integrierten Ambient Modus.
Da es sich bei Micro LEDs um anorganische Leuchtdioden handelt, stellt sich auch nicht die Frage nach der Lebenszeit der einzelnen Module. Zwar wird bei hochwertigen OLED-TVs inzwischen auch von einer relativ langen Lebensdauer ausgegangen, aufgrund der Erfahrungswerte bei LEDs kann man aber bei Micro LED bereits von einer Zeitspanne von etwa 100.000 Stunden sprechen, innerhalb derer die Micro LEDs nichts von ihrer Performance – und somit auch nichts von der Qualität der visuellen Darstellung – verlieren.
Darüber hinaus ist es möglich einen Fernseher mit Micro LEDs ähnlich dünn zu bauen wie einen OLED TV, da wie bereits angemerkt keine Hintergrundbeleuchtung mehr notwendig ist. Auch ein Bildschirmrahmen wird überflüssig und der Betrachtungswinkel kann als nahezu perfekt bezeichnet werden. Treibt man es auf die Spitze, so vereint Micro LED sämtliche Vorteile und Benefits der OLED-Technologie, die Nachteile der organischen Leuchtdioden bleiben aber komplett außen vor. Selbst bezüglich der Herstellungskosten sollen die Micro LED-Geräte zukünftig günstiger sein. Bis zu diesem Punkt wird es aber aktuell aufgrund der hohen Anzahl an notwendigen LEDs voraussichtlich noch dauern.
Burn-Ins sind im Übrigen ebenfalls keinerlei Thema bei Micro LEDs, die anorganischen Leuchtdioden sind gegenüber dem Phänomen völlig unempfindlich.
Besonderheit Modularer Aufbau
Zwar möchte Samsung eine ganze Reihe an festen Bildschirmgrößen mit Micro LED-Technologie anbieten, doch Flexibilität ist ebenfalls ein sehr interessantes Thema bei Micro LED. Da die einzelnen Module völlig ohne Rahmen auskommen, sind sowohl der Größe als auch dem Formfaktor und der Auflösung kaum Grenzen gesetzt. Die Anzahl der Module entscheidet dann über die Bildschirmgröße sowie auch das gewünschte Seitenverhältnis.
Bringt Micro LED auch Nachteile mit sich?
Anhand der aktuell zur Micro LED-Technologie verfügbaren Informationen lassen sich keine klaren Nachteile erkennen. Allerdings werden, solange Micro LED noch nicht die breite Masse erreicht, die Herstellungskosten recht üppig ausfallen. Das liegt vor allem an der extrem hohen Anzahl an LEDs, die für einen Micro LED-TV notwendig sind. Jeder einzelne Pixel benötigt drei LEDs. Bei einem 4K Ultra HD-TV mit einer Auflösung von 3.840 x 2.160 Bildpunkten sind dies insgesamt knapp 25 Millionen Leuchtdioden. Hinzu kommt, dass die einzelnen LEDs keine großen Unterschiede bezüglich der Helligkeit aufweisen dürfen und perfekt platziert sein müssen, um eine perfekte visuelle Darstellung zu erhalten.
Nicht wirklich geklärt ist momentan die Frage, wie es um den akustischen Part des TV-Gerätes bestellt ist. Die Integration von Lautsprechern würde die geringe Bautiefe wieder erhöhen und somit den Vorteil einer besonders schlanken Optik zunichte machen. Das gilt übrigens selbst für die „Acoustic Surface“-Technologie, die bei Sony OLED-TVs zum Einsatz kommt.
Gibt es außer Samsung noch andere Hersteller, die auf Micro LED-Technologie setzen?
Samsung nimmt hier eindeutig die Stellung des Vorreiters ein und präsentierte in den letzten zwei Jahren stets Weiterentwicklungen der neuen, innovativen Technologie. Aber auch andere Firmen sehen in Micro LED Potential. Auf der CEDIA 2019 stellte Sony ein eigenes 4K Ultra HD-Display mit Sonys eigener „Crystal LED“-Technologie vor, die auch auf kleinstmöglichen anorganischen LEDs beruht. Auch hier sind modulare TV-Größen sowie Auflösungen realisierbar, Sony hat hier bereits Lösungen mit riesiger Bilddiagonale (783 Zoll) und 16K Auflösung gezeigt. Preislich liegen diese natürlich mit knapp 6 Millionen US-Dollar jenseits von Gut und Böse. Ob und wann es in diesem Bereich günstigere Consumer-Modelle geben wird, steht aktuell noch nicht fest.
Auch Apple hat Interesse an der Micro LED-Technologie bekundet, sieht allerdings den Anwendungsbereich woanders. Im Gegensatz zu TV-Geräten mit großen Bilddiagonalen möchte Apple Micro LED in Smart-Gadgets, wie z.B: einer Apple Watch, verwenden. LG tüftelt ebenfalls an Micro LED-Displays, genaue Informationen liegen hier aber noch nicht vor.
Fazit
Micro LED könnte sich tatsächlich als zukunftsträchtige Technologie entpuppen. Erste visuelle Eindrücke haben uns enorm imponiert und konnten in allen genannten Bereichen, darunter Farbauthentizität, Plastizität, Helligkeit, Kontrast, Schwarzwert und Blickwinkelstabilität überzeugen. Bislang sind die Preise aber für den typischen Heimkino- und Film-Enthusiasten kaum zu stemmen und wann wir bezahlbare Micro LED TV-Geräte im Consumer-Bereich erwarten können, lässt sich nach aktuellem Stand nicht beantworten. Da es so scheint, dass neben Samsung auch Sony, LG und sogar Apple auf den Zug aufspringen könnten, ist es durchaus denkbar, dass mit Micro LED der nächste große Schritt im TV-Bereich gemacht wird.
Auf der CES 2020 präsentierte Samsung verschiedene Prototypen an Micro LED-Fernsehern, mehr dazu lesen Sie auch in unserem News-Special: Samsung präsentiert Micro LED- und Lifestyle TV-Produktportfolio auf der CES 2020.
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