Qualitativ hochwertiges Audio-Streaming – Vorteile, Nachteile und Probleme von Spotify, Tidal & Co
Viele sahen schon zur Jahrtausendwende, zu Glanzzeiten von MP3 und als Napster noch als populärste illegale Musik-Tauschbörse im Internet galt, das Ende der CD als wichtigstes Medium für die Audiowiedergabe als besiegelt an. Ganz so einfach gaben die Silberscheiben aber nicht auf, konnten sie doch gegenüber der verlustbehafteten Kompression von MP3 eine überlegene Klangqualität bieten und waren, nicht zuletzt aufgrund der mäßigen Download-Geschwindigkeiten von damals, auch einfacher verfügbar. Die heute herrschenden Gegebenheiten haben mit der damaligen Realität aber so gar nichts gemein. Mittlerweile ist Musik legal, komfortabel, schnell und in hoher Qualität im Internet verfügbar. Streaming-Dienste laufen der CD als lange regierendem Herrscher den Rang ab. Tatsächlich sind heutzutage viele Musikalben gar nicht mehr als physisches Medium erhältlich – oder werden neben dem digitalen Release im Internet als Vinyl-LP veröffentlicht. Diese erlebt nämlich schon seit einigen Jahren eine Renaissance und kann sogar steigende Verkaufszahlen vermelden, wenngleich es sich hier um deutlich geringere Stückzahlen handelt und eine Nische für Liebhaber bedient wird.
Dennoch: Beim Blick auf CDs ergibt sich ein anderes Bild: Weniger als 50 Millionen verkaufte Scheiben in 2017 und ein eklatanter Umsatzeinbruch in Bereichen von 25% in 2018 sprechen klare Worte. Doch sollten wir der CD überhaupt eine Träne nachweinen?
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Gäbe es nur Spotify und andere Dienste, die auf die verlustbehaftete Kompression mit MP3 oder AAC setzen, könnte diese Frage vielleicht mit einem klaren Ja beantwortet werden. Anbieter wie Tidal, qobuz und Deezer aber arbeiten mit verlustfreier Kompression und bieten gegenüber dem mit 44.1 kHz abgetasteten Signal auf einer CD sogar eine höhere Abtastfrequenz und Auflösung und somit – zumindest auf dem Papier – bessere Klangqualität. Eine klare Antwort ist also nur schwer möglich und darüber hinaus stehen beim Kauf eines physischen Mediums ja noch andere Dinge, abseits der akustischen Qualität, im Vordergund. Wir möchten mit diesem Special auch gar keinen klaren Sieger ermitteln, vielmehr soll es um die Audio-Qualität der Streaming-Dienste im Allgemeinen gehen und ob man als passionierter Musik-Enthusiast vom großen Angebot der zahlreichen Dienstleister sogar profitieren kann.
Anhand der inzwischen präzise arbeitenden und hochwertigen Codecs, die insbesondere die Anbieter, die auch hochauflösende Musikdateien im Portfolio haben, verwenden, haben Nutzer von Streaming-Angeboten jedenfalls kein Nachsehen, was die akustische Qualität betrifft. Umsonst ist das allerdings nicht: Zwar bieten z.B. Spotify, Deezer und YouTube Music auch eine kostenfreie Version an, diese sind aber immer auf eine geringere Bandbreite (maximal 160 kBit/s bei Spotify, 128 kBit/s bei YouTube und Deezer) beschränkt. In der Regel wird ein monatlicher Beitrag fällig, dafür erhält man dann aber Zugriff auf die gesamte Musikbibliothek des Dienstleisters, die in der Regel recht umfangreich ist und kann mit hoher Bandbreite hören.
Nicht nur die Kompression und der verwendete Codec spielen allerdings eine Rolle. Insbesondere bei der subjektiven Empfindung ist die Lautstärke ein wichtiger Faktor. Diesbezüglich muss man verstehen, dass die Lautstärke eines Albums während des Masterings vom Toningenieur justiert wird. Legt man zuhause eine bestimmte CD ein und wechselt nach dem Hören einiger Lieder die Scheibe, kann durchaus eine Einstellung der Lautstärke notwendig sein, um auf identischem Pegel hören zu können. Dieser Umstand ist für einen Streaming-Anbieter nicht wünschenswert. In einer Playlist befinden sich häufig zahlreiche Lieder unterschiedlicher Alben von verschiedenen Interpreten, dennoch will man als Anwender nicht ständig die Lautstärke anpassen. Deshalb wird hier mit proprietären Algorithmen gearbeitet, die sämtliche Stücke auf ein ähnliches Pegel-Niveau heben. Dies hat zweifellos einen Eingriff in die Klangcharakteristik, insbesondere die Dynamik, zur Folge. Schließlich muss ein Algorithmus nun automatisiert eine Aufgabe für sämtliche Tonträger übernehmen, während früher der Toningenieur die für ihn optimale Referenzlautstärke für jedes einzelne Album festlegen konnte.
Das Medienverwaltungs- und Musikserver-System Roon ist vielleicht eine der genialsten Innovationen in der HiFi- und Musik-Szene. All die faszinierenden und wirklich nützlichen Features und Funktionen hier auszuarbeiten, würde den Rahmen dieses Artikels sprengen. Deshalb verweisen wir an dieser Stelle auf unser Special Roon - Das innovativste Musikserver-System? Hier finden Sie die neuesten Informationen und alles Wissenswerte zu Roon.
Das ist insofern wichtig, als die reine Musikwiedergabe im Sinne von „Player“ ist nur ein Aspekt von Roon ist – möglicherweise sogar ein untergeordneter. In erster Linie bietet Roon zahlreiche Attribute und Eigenschaften, die den täglichen Umgang mit der eigenen oder einer in der Cloud verfügbaren Musikbibliothek vereinfachen, optimieren und auch bereichern. Das klingt erst einmal gut, ist aber nicht sonderlich konkret. Wenn Sie neugierig geworden sind und mehr zu Roon erfahren möchten, dann legen wir Ihnen die Lektüre unseres Roon-Specials ans Herz.
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Dies ist audiophilen Musik-Liebhabern natürlich ein Dorn im Auge. Allerdings gibt es auch hier mittlerweile Abhilfe. Der Codec MQA (Master Quality Authenticated) bietet nicht nur eine erweiterte Dynamik gegenüber konventionellen CDs, sondern stellt auch sicher, dass die vom Toningenieur abgelieferte Datei nicht von einem Algorithmus klanglich verändert werden kann. Allerdings kann MQA nicht als verlustfreies Kompressionsverfahren gelten, wie es z.B. WAV oder FLAC sind, was in audiophilen Kreisen selbstverständlich als Nachteil gesehen wird. Zudem versieht der Codec die Dateien mit DRM (Digital Rights Management). MQA wird unter anderem vom Streaming-Anbieter TIDAL genutzt. Der klare Vorteil ist also, wie üblich, auch mit einem Nachteil versehen.
Neben dem Kompressionsverfahren und der Lautstärke steht zur Debatte, dass den unterschiedlichen Streaming-Anbietern keinesfalls die identischen Versionen eines Titels zur Verfügung gestellt werden. So kann es durchaus sein, dass ein Song bei einem Streaming-Anbieter besser oder schlechter, bzw. schlichtweg anders klingt als bei einem anderen.
Wie wir eingangs bereits erwähnten, nutzen unterschiedliche Streaming-Dienstleister verschiedene Kompressionsverfahren. Spotify setzt auf Ogg Vorbis mit einer maximalen Datenrate 320 kbps. Amazon und Deezer nutzen MP3, Apple, Tidal und YouTube senden im AAC-Format. Bei Tidal und Deezer ist es zudem durch die Zahlung eines Aufpreises möglich, Lieder auch in verlustfrei komprimiertem FLAC mit 16 Bit zu erhalten, bei Tidal zudem noch in MQA (24-Bit). Apple bietet zwar mit ALAC einen verlustfreien Codec, Apple Music nutzt diesen aber nicht.
Natürlich bieten Streaming-Dienste weitere Vorteile. Die Erstellung eigener Playlisten ist komfortabel und durch analysierende Algorithmen erhält der Anwender Vorschläge, welche Bands ihm anhand der bereits gehörten Interpreten noch gefallen könnten. So entdeckt man durchaus das eine oder andere Highlight, das einem sonst nie zu Ohren gekommen wäre.
Um die Hintergründe der unterschiedlichen Ergebnisse von verschiedenen Streaming-Anbietern bei einem identischen Songtitel verstehen zu können, muss man sich zunächst die Arbeitsweise der Kompressionsverfahren ansehen. Bei der Kompression werden musikalische Detailinformationen weggeschnitten. Das geschieht ganz einfach, um Daten zu sparen. Diese Detailinformationen sollten dann natürlich in Bereichen liegen, die man als Zuhörer nicht wahrnimmt, das wäre der Idealfall.
Zunächst unterteilt ein Codec das Audiosignal in Mitte und Seitenanteile. Die Mitte enthält den Mono-Anteil des Mixes, der Seitenkanal die Unterschiede zwischen links und rechts. Der Mitte widmet der Codec den größten Anteil der Datenrate, beim Seitenkanal wird meist gespart. Allerdings sind es nicht die komplexen Stücke, die einem solchen Algorithmus die größten Probleme bereiten. Das liegt einfach daran, dass es ein störendes Artefakt weniger auffällt, wenn zahlreiche Instrumente am Werk sind. Problematisch wird es eher bei wenigen Instrumenten und einer Vokalstimme. Das liegt zum einen daran, dass man einfacher auf störende akustische Elemente achten kann und zum anderen fallen diese leichter auf, da der Klang einer Stimme dem Menschen sehr vertraut ist. Durch die erwähnte Arbeitsweise der Codecs, der Mitte die meiste Aufmerksamkeit zukommen zu lassen, können Details eines Instrumentes verloren gehen, wenn es eine Vokalstimme zu verarbeiten gilt. Das Instrument kann in der Gesamtkulisse schlichtweg untergehen. Dieses Phänomen tritt insbesondere dann auf, wenn einfach nicht genug Bandbreite zur Verfügung steht und betrifft somit Codecs mit geringer Datenrate.
Extrem fällt dies bei früheren MP3-Aufnahmen auf, die aufgrund der langsamen Internet-Geschwindigkeit stark komprimiert wurden. In Bereichen, die oben genannte Anbieter für das kostenlose Hören einsetzen, kann man dies aber auch heute noch nachvollziehen. Der Aufpreis für hohe Datenraten lohnt sich in dieser Hinsicht also durchaus. Verlustfreie Kompression muss es aber rein deshalb nicht unbedingt sein, denn selbst bei verlustbehafteten Kompressionsverfahren fallen diese Probleme ab einer Bitrate von rund 230 kBit/s schon nicht mehr ins Gewicht. Aufpassen muss man wiederum dann, wenn man Algorithmen oder DSPs nutzt, die den Klang von komprimierten Dateien aufbessern sollen. Häufig handelt sich um einfache Equalizer, der Bässe und Höhen anhebt. Diese setzen so an den falschen Stellen an und machen Störartefakte auch bei hoher Bandbreite wieder hörbar.
Der Vorteil von verlustfreien Kompressionsverfahren und der Grund, weshalb sich hier ein Aufpreis lohnt, ist der erweiterte Dynamikumfang dieser Formate. CDs und FLAC-Dateien können leisere Töne abbilden, das gilt auch für MQA. Bei lauten Produktionen, wie es oft in den Genres Rock, Pop, Dance oder Metal der Fall ist, verursachen Lautstärke-Kompressoren und Limiter die größten Schäden an der akustischen Qualität. Diese treten allerdings sowohl bei MP3, AAC und Ogg Vorbis als auch bei FLAC und konventionellen CDs auf.
Abgesehen von Kompressionsverfahren, Codecs und Formaten hat natürlich auch die ursprüngliche Abmischung des Musikalbums enormen Einfluss auf die Klangqualität, die beim Kunden letztendlich aus den Lautsprechern erschallt. Insbesondere moderne Musikproduktionen sind davon gekennzeichnet, dass das Album nach dem Mastering durch einen sogenannten Limiter geschleust wird, der die durchschnittliche Lautstärke eines Titels bei der Wiedergabe festlegt. Das Ergebnis ist häufig, dass die Titel ein bisschen lauter erklingen als die der Konkurrenz. Schlichtweg deshalb, da lautere Songs subjektiv immer als besser klingend empfunden werden. Das führte bei einigen Alben, selbst großer Bands, zu starken Verzerrungen und hat negativen Einfluss auf die Gesamtdynamik. Mittlerweile scheint dieser Trend wieder ein wenig abzuebben und passionierte Musik-Liebhaber fordern ausgewogene, leisere Studio-Master.
Nun kann es durchaus passieren, dass zwei unterschiedlich abgemischte Master vorliegen und bei einem Streaming-Dienst die leise und bei einem anderen Dienst die laute Version zur Verfügung steht. Im Vorteil ist dann natürlich klar der Anbieter, der die weniger verzerrte Version im Angebot hat.
Apple hat dies erkannt und bietet mit dem Programm „Mastered for iTunes“ eine Möglichkeit für Produzenten an, Musik vom CD-Master für die Apple-Bibliothek nachzubearbeiten und anzupassen. Ob dies dann geschieht, hängt natürlich vom jeweiligen Plattenlabel ab. Aber die Möglichkeit besteht, im Gegensatz zu anderen Streaming-Plattformen. Eine einheitliche Anpassung der Lautstärke für Streaming-Anbieter wäre wünschenswert, allerdings ist dies aufgrund der großen Unterschiede, wie Musik konsumiert wird, enorm schwierig. Viele, insbesondere junge Menschen, hören mit kleinen In-Ear-Kopfhörern, die selbst nur eine relativ geringe Lautstärke aufweisen. So müssen Streaming-Dienste ihre Grenzwerte höher setzen und nehmen damit die genannten negativen Aspekte in Kauf. Bei manchen Anbietern kann man die Lautheit in verschiedenen Stufen anpassen, einige lassen aber auch keinerlei Anpassungen zu. Insgesamt funktionieren die unterschiedlichen Herangehensweisen der Anbieter recht solide, bei einigen Härtefallen kann es aber, da es sich ja auch hier um einen automatisierten Vorgang handelt, zu Problemen kommen. Aufgrund dieser Differenzen ist es für Produzenten äußerst schwierig zu entscheiden, wie sie ihre Stücke abmischen sollen. Je nach angewendeter Lautstärkekorrektur kann es passieren, dass Spitzen abgeschnitten werden. So werden Toningenieure quasi gezwungen, die Titel etwas lauter abzumischen als der Pegel der lautesten Lautstärkekorrektur, um einen Eingriff des Limiters eines Streaming-Anbieters zu verhindern.
Fazit
Mittlerweile kann man den hier genannten Streaming-Dienstleistern durchaus eine hohe akustische Qualität zusprechen. Sowohl die verlustbehafteten als auch die verlustfreien Kompressionsverfahren sind inzwischen so ausgereift und können dank der (im Vergleich zu früher) hohen Internetgeschwindigkeit über ausreichend Bandbreite verfügen, dass störende Artefakte und Verzerrungen eher selten bis gar nicht anzutreffen sind. Selbstverständlich fallen Probleme bei High-End HiFi-Komponenten eher auf als bei günstigeren Lautsprechern oder gar kompakten Single-Speakern. Für diese Klientel kann sich der finanzielle Mehraufwand für Dateiformate und Kompressionsverfahren, die eine höhere Sampling-Frequenz und Bittiefe aufweisen, lohnen. Nicht wegdiskutieren darf man den zwangsläufigen Eingriff in die ursprüngliche Klangcharakteristik, z.B. von Algorithmen, die zur Lautstärkenormalisierung dienen, hier herrscht noch einiges an Potential nach oben.
CDs und Schallplatten werden weiterhin ihre Daseinsberechtigung behalten. Digitales Audio-Streaming kann sich nun aber, nicht nur im Bereich Komfort, sondern auch bezüglich der akustischen Qualität, als selbstbewusster Dritter hinzu gesellen, der durchaus das Potential hat, die physischen Medien irgendwann abzulösen. Die Frage, ob der eine Streaming-Anbieter wirklich klar besser ist als der andere, können wir hingegen kaum beantworten. Hier kommt es auf zu viele Faktoren an. Selbst bei Anbietern von verlustfrei komprimierten Dateiformaten können bei bestimmten Alben Probleme (z.B. aufgrund der Lautstärkekorrektur) auftreten, die ein Dienst mit verlustbehaftet komprimierten Titeln nicht hat. Dafür bietet der FLAC-Streaminganbieter mit 16 oder 24 Bit einen erweiterten Dynamikumfang. Wesentlich wichtiger als die Kompression scheint, welches Studio-Master das Plattenlabel dem Streaming-Dienst zur Verfügung stellt. Eine klare Empfehlung gibt es hier nicht.
Für noch mehr Informationen haben wir alle Fragen rund ums Thema Audio Streaming zusammengestellt und beantwortet: Audio-Streaming FAQ.
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